ÖSG- und ÖGARI-Stellungnahme zum EMA-Review zur Risikobewertung von Metamizol

Die European Medicines Agency (EMA) hat einen Review zu Metamizol angekündigt, um das Risikos einer Metamizol-assoziierten Agranulozytose zu prüfen und neu zu bewerten. Der Vorstand der ÖSG und der Vorstand der Sektion Schmerz der ÖGARI haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, in der die Bedeutung und Unverzichtbarkeit der Substanz in der Schmerztherapie dargestellt wird. Lesen Sie hier einige Auszüge:

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Metamizol (Dipyron) ist eines der ältesten Analgetika und wird seit der Markteinführung 1922 in Europa und Lateinamerika erfolgreich eingesetzt. Neben seinen hervorragenden schmerzstillenden und fiebersenkenden Eigenschaften ist die durch eine Aktivierung ATP-sensitiver Kaliumkanäle vermittelte spasmolytische Komponente ein Alleinstellungsmerkmal unter sämtlichen Nichtopioid-Analgetika.

Infolge seiner einzigartigen Pharmakologie wird Metamizol bei einer Vielzahl von akuten und chronischen Schmerzzuständen, darunter moderat bis starke nicht-tumorbedingte Schmerzen und postoperative Schmerzen, Koliken, Tumorschmerzen als auch bei therapierefraktärem Fieber verwendet. Metamizol weist ein gegenüber NSAID günstigeres gastrointestinales, kardiovaskuläres und zerebrovaskuläres Profil auf. Das Risiko nichtselektiver COX-Hemmer und Coxibe für kardiovaskuläre und renale Ereignisse ist höher als das Risiko einer Metamizol-assoziierten Agranulozytose. Eine Metaanalyse illustriert deutlich weniger unerwünschte Ereignisse unter Metamizol als unter Opioiden. Die Lebertoxizität ist wesentlich geringer als jene von Paracetamol.

Die Datenlage zur durch Metamizol ausgelösten Agranulozytose ist heterogen, wobei in Europa erhebliche geographische Unterschiede auffallen. Zwischen 2001 und 2005 wurden in Österreich 0,026 Fälle von Agranulozytose pro 1 Mio. Patient:innentage registriert.  Substanzen wie Cotrimoxazol, Cimetidin, Prednison und Clomipramin bringen in der lokalen Population ein wesentlich höheres oder ähnlich hohes Risiko mit sich. In Anbetracht dessen erscheint es verwunderlich, dass die extrem seltene Nebenwirkung Agranulozytose, für die es inzwischen eine wirksame Medikation gibt, stets im Zusammenhang mit Metamizol, aber selten im Zusammenhang mit anderen Medikamenten (Methotrexat, Carbamazepin, Thiamazol etc.) diskutiert wird.

Fazit von ÖSG und ÖGARI

Metamizol ist eine wichtige Substanz, die aufgrund ihrer spasmolytischen und analgetischen Wirksamkeit in der Behandlung viszeraler Schmerzen, Koliken, Tumorschmerzen, aber auch Menstruationsbeschwerden, Schmerzen im Urogenitaltrakt und Reizdarmsyndrom indiziert ist. Anhand der aktuellen Studienlage ist das Interaktions- und Nebenwirkungspotenzial als gering anzusehen. Im Vergleich zu NSAID gilt Metamizol als gleichermaßen wirksam und sicherer, ohne Kontraindikationen wie kardiovaskuläre, renale oder gastrointestinale Komorbiditäten. Das macht die Substanz für den Einsatz bei älteren und hochbetagten Schmerzpatient:innen, solchen mit renaler Insuffizienz oder hohem Blutungsrisiko, zu einer interessanten analgetischen Option.

Eine Agranulozytose tritt unter Metamizol nur sehr selten auf. Wichtig ist es, im Zuge des Aufklärungsgespräches darauf hinzuweisen, dass die Patient:innen bei Halsschmerzen, Fieber oder entzündlichen Schleimhautläsionen dringend eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen sollen, um eine Agranulozytose klinisch abzuklären.

Der aktuelle Review bezüglich Metamizol ist für die ÖSG und die Sektion Schmerz der ÖGARI daher nicht nachvollziehbar.

Quelle: Statement der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) und der Sektion Schmerz der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI); Graz, 30.06.2024

Das gesamte Statement inklusive der Literaturverweise finden Sie hier: