Blaupause Palliativmedizin: Wenn Medizin und Pflege gemeinsame Sache machen

Interprofessionelle Teams sind erfolgreicher und wirken sich positiv auf das Arbeitsklima aus, darin waren sich die Teilnehmer:innen eines Panels auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit im Juni 2023 in Berlin einig. Was Gesundheitseinrichtungen von der Palliativmedizin lernen können.

von Kathrin Handschuh (Quelle: ÄrzteZeitung.de)

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Fachkräftemangel gibt es nicht bei Ina Jarchov-Jadi, Pflegedirektorin im Alexianer St. Hedwig Krankenhaus in Berlin. „Wir bekommen zahlreiche Initiativbewerbungen aus der Pflege und der Medizin, wir führen sogar eine Warteliste. Und das, obwohl es sich bei uns um einen Problembezirk handelt. Wir sind keine Kuschelpsychiatrie.“ Auf dem Hauptstadtkongress berichtete sie am Freitag von dem „Weddinger Modell“ – einem Erfolgskonzept, das ihre Einrichtung auch für die Mitarbeiter:innen besonders attraktiv macht.

Eingeführt 2009 als „echter Paradigmenwechsel“, steht dabei der:die Patient:in im Mittelpunkt multiprofessioneller Teams. Entwickelt wurde ein verbindlicher Leitfaden für alle beteiligten Berufsgruppen wie Pflege, Medizin und Soziale Arbeit. Schwerpunkte sind Transparenz, Partizipation und Mitbestimmung. „Bei uns geht es nur gemeinsam“, betonte sie.

Gesundheitsberufe können entlasten

Was in Berlin-Wedding ein besonderes Modell ist, wird in der Palliativmedizin schon lange praktiziert: Das Miteinander von Pflege und Medizin.

Das bestätigte auch Dr. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Pneumologin in Hildesheim. Dort würden Patient:innen von allen Professionen gemeinsam betreut – medizinisch, pflegerisch, psychosozial und spirituell. Sie erinnerte an eine Diskussion auf dem Ärztetag, in der es darum ging, wie andere Gesundheitsberufe ihre Kolleg:innen unterstützen und entlasten können. Interprofessionelle Teamarbeit müsse aber immer unter dem ärztlichen Lead laufen. „Am Ende bin ja ich die Chefin, die dafür sorgen muss, dass der Laden läuft.“

Dr. Katharina Kappelhoff vom Gesundheitsnetzwerk „Port“ im nordhessischen Willingen spannte den Bogen der Vernetzung noch weiter. „Port“ bringt in der ländlichen Region rund 40 Leistungserbringer wie Hausärzt:innen, Pflegedienste, Sanitätshäuser und alle drei Krankenhäuser zusammen. Schwerpunkt ist die Prävention, in den Blick genommen werden dabei alle Altersgruppen. Präventive Hausbesuche sollen dabei vor allem Senior:innen ermöglichen, so lange wie möglichen im eigenen Zuhause zu leben. Entscheidende Bausteine sind die regelmäßigen Besprechungen der multiprofessionellen Teams.

Zielgruppe Angehörige

Diese sind auch in der Palliativmedizin gelebte Praxis, wie Heiner Melching von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin betonte. Das Besondere: „Bei uns gehören auch die Angehörigen zur Zielgruppe, rund 50 Prozent unserer Arbeitszeit verbringen wir mit Angehörigengesprächen.“ Dadurch, dass Ärzt:innen und Pflegepersonal gemeinsam zu Visiten unterwegs seien, gebe es deutliche flachere Hierarchien.

Melching skizzierte die vielen Aufgaben, die Pflegekräfte in der SAPV übernehmen: Morphingabe, Einstellung von Schmerzpumpen, Information der Ärzt:innen. Palliativmediziner:innen litten weniger oft an forensischen Ängsten wie andere Kolleg:innen. Es könne durchaus sein, dass die Arbeit im Team, klar geregelte Kompetenzen und das gestärkte Selbstvertrauen der Pflege damit zu tun hätten. „Außerdem behandeln sie Patient:innen, die sowieso bald sterben. Das nimmt natürlich die Sorge, verklagt zu werden.“

Quelle: ÄrzteZeitung.de