Präoperative Beurteilung Erwachsener vor einer nicht-kardialen elektiven Operation

ESAIC-Leitlinien 2025

Serie: Journal Club

Originalpublikation
Lamperti M et al (2025) Preoperative assessment of adults undergoing elective noncardiac surgery – Updated guidelines from the European Society of Anaesthesiology and Intensive Care. Eur J Anaesthesiol 42:1–35.

von Prim. PD Dr. Peter Paal, MBA PM.ME EDAIC EDIC FERC, Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Krankenhaus

Porträtfoto Peter Paal
© Christoph Strom

Vorbemerkung

Diese ESAIC-Richtlinien sind ein Update der Richtlinien von 2018. Sie basieren auf einem Review von 17.668 Artikeln, final wurden 204 ausgewertet. 12 klinische Fragen wurden mittels PICO-, GRADE- und Delphi-Methodik ausgearbeitet. Zudem wurden Glucagon-like Peptide 1(GLP-1)-Agonisten und Sodium Glucose-linked Transporter 2(SGLT-2)-Inhibitoren (SGLT2i) behandelt.

Auszüge aus der Leitlinie

In der Folge möchte ich einige besonders interessante Punkte und Aspekte der Leitlinie hervorheben und deren wesentliche Aussagen zusammenfassen:

  • Eine Anästhesieuntersuchung sollte innerhalb von 30 Tagen präoperativ durchgeführt werden, insbesondere bei Hochrisikopatient:innen zwecks Optimierung mit Re-Evaluierung innerhalb von 48 h präoperativ. Telemedizin und standardisierte Fragebögen sollten eingesetzt werden. Ein:e erfahrene:r Anästhesist:in sollte bei Hochrisikopatient:innen die interdisziplinäre präoperative Abklärung und Optimierung koordinieren.
  • Bei kardialen Hochrisikopatient:innen (RCRI > 2) sollten der Revised Cardiac Risk Index (RCRI) und natriuretisches Peptid bestimmt werden. Die kardiale Reserve sollte mittels natriuretischen Peptids und des Duke Activity Status Index evaluiert werden.
  • Mit dem WHO Disability Assessment Schedule 2.0 kann bei Hochrisikopatient:innen das Risiko einer postoperativen Behinderung quantifiziert werden.
  • Vor dringlichen und Notfalleingriffen können geschulte Anästhesist:innen bei Verdacht auf eine relevante Pathologie Herz- und Lungen-POCUS (Point-of-Care-Ultraschall) durchführen; eine kardiologische Visite sollte die Operation nicht verzögern.
  • Symptomatische Patient:innen sollten auf SARS-CoV‑2 getestet werden.
  • Der Atemweg der Patient:innen sollte unter den Aspekten Anatomie, kardiozirkulatorische und pulmonale Physiologie, Umgebung, Geräte sowie Fachwissen des Leiters und des Teams beim Atemwegmanagement evaluiert werden.
  • Bei Patient:innen mit chronischer bzw. Risiko für akute Niereninsuffizienz sollten präoperativ geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), Proteinurie und N‑terminales Pro-Typ B‑natriuretisches Peptid (NT-pro-BNP) bestimmt werden.
  • Die Clinical Frailty Scale hilft bei Hochrisikopatient:innen, das postoperative Outcome und insbesondere Delir vorherzusagen. Geriater:innen sollten Patient:innen präoperativ optimieren.
  • Die Ernährung sollte optimiert werden.
  • GLP-1(Glucagon-like Peptide 1)-Agonisten verzögern die Magenentleerung, es besteht ein erhöhtes Aspirationsrisiko trotz Pausierung der Einnahme für zumindest eine Woche und Einhaltung der üblichen Nüchternheitsperiode. Eine Flüssigkeitskarenz für 24 h sollte bei diesen Patient:innen in Betracht gezogen werden. Bei allen Patient:innen, die GLP-1-Agonisten einnehmen, sollte trotz fehlender gastrointestinaler Symptome das Risiko eines vollen Magens in Betracht gezogen werden. Ein Magenultraschall könnte bei der Risikoabwägung und der weiteren Therapieplanung helfen. Kann bei vorhandenem Mageninhalt die Operation nicht aufgeschoben werden, sollte eine endotracheale Intubation mittels „rapid sequence intubation“ (RSI) durchgeführt werden.
  • SGLT2(Sodium Glucose-linked Transporter 2)-Inhibitoren sollten für 3–4 Tage pausiert werden, um das Risiko einer euglykämen diabetischen Ketoazidose zu vermindern. Patient:innen mit SGLT2i sollten bis 2 h präoperativ trinken. Bei Patient:innen mit SGLT2i-Einnahme sollte bei Verdacht einer euglykämen diabetischen Ketoazidose zur Diagnosesicherung β‑Hydroxybutyrat aus dem Serum bestimmt werden.

Fazit für die Praxis
Die ESAIC-Richtlinien ermöglichen eine State-of-the-Art-Therapie. Das Lesen des gesamten Open-Access-Artikels ist empfohlen.