Analgosedierung von Kindern im Kontext einer zahnärztlichen Behandlung

von Pavla Havrankova, Ulrike Wintersperger, Birtan Mermer und Alexander Buzath

Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinik Donaustadt, Wien

Zusammenfassung
Für einige zahnärztliche Eingriffe bei pädiatrischen Patient:innen ist neben der Vollnarkose auch die Anwendung der Analgosedierungstechnik möglich. Der vorliegende Artikel gibt einen umfassenden Einblick in die Praxis der Analgosedierung bei Kindern, insbesondere im Kontext der zahnärztlichen Behandlung, die an unserer Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin etabliert ist. Zudem stellt er demografische sowie statistische Verteilungen unserer Patient:innenpopulation vor.

Einleitung

Analgosedierung ist eine Methode der Anästhesieführung, die eine Sedierung mit Analgesie kombiniert, um eine angemessene Schmerzkontrolle sowie die Reduzierung von Angst und Unbehagen bei Patient:innen zu erreichen [1].

Die Sedierung von Kindern unterscheidet sich von der Sedierung von Erwachsenen. Bei Kindern geht es nicht nur darum, Schmerzen zu lindern oder Angst zu mildern, sondern auch darum, die Zusammenarbeit mit kindlichen Patient:innen bei der Durchführung und den erfolgreichen Abschluss des Eingriffs oder der Untersuchung sicherzustellen. Die Tiefe der Sedierung kann in minimal, mittel und tief unterteilt werden:

  • Minimale Sedierung ist ein Zustand, in dem die Patient:innen normal auf verbale Anweisungen reagieren, wobei die kardiorespiratorische Funktion ungestört bleibt und die kognitive Funktion beeinträchtigt sein kann.
  • Bei mittlerer Tiefe kommt es zu einer Verringerung des Bewusstseinszustands. Die Patient:innen reagieren auf verbale Anweisungen oder leichte körperliche Stimulation, wobei keine Maßnahmen zur Sicherung Atemwege erforderlich sind und die spontane Ventilation ausreichend ist.
  • Tiefe Sedierung ist der Zustand der:des Patient:in, bei dem sie:er nicht leicht geweckt werden kann. Sie:er reagiert gezielt auf schmerzhafte Reize oder wiederholte verbale Aufforderungen. Die Fähigkeit, eine ausreichende spontane Atmung aufrechtzuerhalten, kann beeinträchtigt sein, und die Patient:innen benötigen oft Hilfe zur Aufrechterhaltung des Atemwegs. Es kommt auch zu einer Unterdrückung oder vollständigen Abschwächung von Reflexen.

Der Übergang von tiefer Sedierung zur Allgemeinanästhesie, bei der die Patient:innen nicht durch schmerzhafte Reize geweckt werden können und eine Sicherung oder Unterstützung des Atemwegs erforderlich ist, ist fließend [2].

Die tiefe Sedierung wird auch bei unseren pädiatrischen Patient:innen eingesetzt, die zahnärztliche Behandlungen im Kompetenzzentrum für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und Jugendzahnheilkunde mit Fokus auf besondere Bedürfnisse erhalten.

Kompetenzzentrum für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und Jugendzahnheilkunde

Das Kompetenzzentrum für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und Jugendzahnheilkunde ist ein Teil der Klinik Donaustadt (Wiener Gesundheitsverbund). Es besteht aus zwei Einheiten: der Abteilung für Jugendzahnheilkunde (JZK), die sich in einem separaten Gebäude gegenüber dem Krankenhaus befindet, und der MKG-Abteilung, die innerhalb des Krankenhauses untergebracht ist. In der Abteilung für Jugendzahnheilkunde erfolgt die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen, die aufgrund schwerwiegender Grunderkrankungen nicht für eine zahnärztliche Behandlung in der ambulanten Praxis geeignet sind [3]. Dies betrifft auch Patient:innen, die aufgrund ihres jungen Alters oder ihrer mangelnden Kooperationsfähigkeit eine Sedierung benötigen, um den Eingriff erfolgreich durchzuführen.

Die Jugendzahnklinik steht drei Tage pro Woche für zahnärztliche Behandlung von Kindern in Analgosedierung zur Verfügung. Sie verfügt über einen Warteraum für Ambulanzbesucher, sechs Behandlungsräume und einen Aufwachraum (AWR). Vier Behandlungsräume sind für Eingriffe ohne Sedierung vorgesehen, während zwei speziell für zahnärztliche Eingriffe unter Sedierung konzipiert sind (in Betrieb ist nur einer davon).

Das Team besteht aus einer:einem Anästhesist:in, einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekraft mit Sonderausbildung Anästhesiepflege und Erfahrung in der Kinderanästhesie sowie zwei diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekräften mit Sonderausbildung Anästhesiepflege für den Aufwachraum, die permanent vor Ort sind.

Perioperativer Ablauf

Die Patient:innen sind in der Regel zwischen zwei und acht Jahren alt (mit einem Mindestgewicht von 10 kg), während für Kinder mit besonderen Bedürfnissen die Altersgrenze bei 18 Jahren liegt. In der Regel begleitet mindestens ein Elternteil oder Sorgeberechtigter die Patient:innen, gegebenenfalls ist auch ein Dolmetscher anwesend.

Im Ambulanzwarteraum wird den Patient:innen Emla-Creme auf zwei gut sichtbare Venen aufgetragen. Nach dem Aufruf wechseln die Patient:innen in den AWR, wo nochmals ein kurzes präoperatives Gespräch mit Anästhesist:in und Zahnärzt:in stattfindet.

In seltenen Fällen kann die Verabreichung von Midazolam (oral, nasal oder rektal) notwendig sein, um einen Venenzugang zu legen. Nach dem Legen des Zugangs wird in der Regel Propofol in einer Dosis von 1–2 mg/kg KG verabreicht. Das schlafende Kind wird anschließend in den Zahnbehandlungsraum gebracht. Bei schwereren Kindern kann auch ein Relaxer verwendet werden. Kooperative Kinder können ggf. in Begleitung ihrer Eltern eigenständig und ohne Medikation zum Zahnarztsessel gehen, die Verabreichung von Propofol erfolgt in diesen Fällen erst im Zahnbehandlungsraum. Anschließend erhalten die Patient:innen Fentanyl (ca 1 µg/kg KG), isotonische Vollelektrolytlösung und Propofol im Perfusor (häufig bis zu 10 mg/kg KG).

Sobald die Patient:innen ausreichend sediert sind, wird ihnen ein Wendeltubus (mit einem Sauerstoffschlauch) über ein Nasenloch eingeführt, durch den kontinuierlich Sauerstoff (2–3 L/min) mittels mobiler Sauerstoffflasche zugeführt wird (Abb. 1 und 2).

Abb. 1: Wendeltubus mit eingeführtem Sauerstoffschlauch
Abb. 2: Wendeltubus in situ mit Sauerstoffinsufflation mittels Sauerstoffflasche. Das verwendete Foto ist Eigentum der Autorin und darf mit Zustimmung der Eltern veröffentlicht werden.

Da oft viele und auch bleibende Zähne gezogen werden müssen, erhalten die Kinder während des Eingriffs zusätzlich eine analgetische Medikation. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Ibuprofen (10 mg/kg KG) oder Novalgin (10–15 mg/kg KG) als Einzeldosis.

Zur Überwachung werden Pulsoxymeter, EKG und nichtinvasive Blutdruckmessung (NIBP) eingesetzt. Während des Eingriffs kann es insbesondere bei Eingriffen im Unterkiefer (Druck auf den Atemweg) oder bei Patient:innen mit zuvor nicht eindeutig erkennbaren Infektionen zu Sättigungsabfällen kommen. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Entwicklungen sorgfältig zu überwachen und angemessen zu reagieren, um die Sicherheit der Patient:innen zu gewährleisten.

In den meisten Fällen können auftretende Sättigungsabfälle durch den Esmarch-Handgriff, eine kurzzeitige Erhöhung der Sauerstoffzufuhr, die Entfernung des Mundspreizers und Absaugen aus dem Mund behoben werden. Gegebenenfalls ist auch eine Vertiefung der Sedierung mit Propofol hilfreich. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, steht eine sofort einsatzbereite Narkosemaschine zur Verfügung, über die kurzfristig eine Beatmung mit Maske und Beutel durchgeführt werden kann. Zusätzlich sind für Notfälle Larynxmasken und Tuben in allen Größen verfügbar.

Kurz vor Abschluss des Eingriffs wird die:der Anästhesist:in informiert, sodass der Propofol-Perfusor und die Infusion rechtzeitig gestoppt werden können. Sobald die Kinder ausreichend ohne zusätzliche Sauerstoffzufuhr atmen, werden sie in den Aufwachraum gebracht und mittels Pulsoxymeter überwacht. Der Wendeltubus verbleibt in der Regel so lange, bis die Kinder ausreichend wach sind und diesen selbstständig entfernen. Gelegentlich ist eine vorübergehende Fortführung der Sauerstoffgabe erforderlich.

Anschließend erfolgen eine ausführliche Information der Begleitpersonen durch die:den Zahn:ärztin über den durchgeführten Eingriff sowie Empfehlungen bezüglich Ernährung, Zahnpflege und Schmerztherapie.

Einige Kinder können während der Aufwachphase sehr agitiert sein oder das Taubheitsgefühl durch die zusätzliche Lokalanästhesie, die von den Zahnärzt:innen durchgeführt wurde, als störend empfinden. Clonidin (1–2 µg/kg KG) hat sich in vielen Fällen als hilfreich erwiesen, um diese Unruhe zu mildern. Der Venenzugang wird erst entfernt, wenn die Patient:innen vollständig wach und beschwerdefrei sind.

Dank seltener Midazolamgabe und einer konsequenten analgetischen Therapie während des Eingriffs ist die Anzahl paradoxer Reaktionen auf Midazolam sowie die Anzahl von extrem agitierten Kindern im Aufwachraum deutlich zurückgegangen.

Nach etwa 1–1,5 h können die meisten Kinder nach Hause entlassen werden.

Analyse der Altersverteilung und besonderer Bedürfnisse

Im Zeitraum von 2018 bis 2022 führten wir eine einfache statistische Beobachtung zur Zusammensetzung und Demografie der pädiatrischen Patient:innen durch, die sich einer zahnärztlichen Behandlung unter Analgosedierung unterzogen. Ziel war es, Einblicke in die Altersverteilung und das Vorhandensein von besonderen Bedürfnissen zu gewinnen.

Die Gruppe mit besonderen Bedürfnissen umfasste Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, Autismus, zerebraler Lähmung und hypoxischem Hirnschäden jeglicher Ursache und Kinder mit geistiger und körperlicher Behinderung.

Die beiden Patient:innengruppen (besondere Bedürfnissen vs. keine besonderen Bedürfnisse) haben wir weiter nach Altersgruppen unterteilt in Vorschulkinder und Schulkinder. Die Gruppe der Vorschulkinder umfasste eine Untergruppe von Kindern bis zum Alter von zwei Jahren und eine Untergruppe von 3‑ bis 6‑jährigen Kindern.

Ergebnisse

Wie aus Abb. 3 deutlich ersichtlich ist, hatte die Covid-19-Pandemie einen signifikanten Einfluss auf unsere Betriebsabläufe, was zu einer Reduzierung der täglichen Patient:innenzahlen führte. Nach dem Abklingen der Epidemie kehrten die durchschnittlichen täglichen Patient:innenzahlen nicht auf die ursprünglichen Zahlen zurück.

Abb. 3: Entwicklung der Gesamtfallzahlen

Trotz der Reduzierung der Gesamtzahl der behandelten Patient:innen zeigt unsere Beobachtung eine Konsistenz im prozentualen Anteil der verschiedenen Altersgruppen, wie aus Abb. 4 ersichtlich ist. In unserer Patient:innenpopulation stellen Vorschulkinder die größte Gruppe dar, wobei ihr Anteil 65–73 % der Gesamtzahl ausmacht. Interessanterweise blieb der prozentuale Anteil der jüngsten Altersgruppe unter den Vorschulkindern im Laufe der Jahre mehr oder weniger konstant.

Abb. 4: Entwicklung der Gesamtfallzahlen in Prozenten

Aus unseren Daten geht weiterhin hervor, dass der prozentuale Anteil der Kinder mit besonderen Bedürfnissen im Laufe der Jahre nicht wesentlich gestiegen ist und bei ca. 10 % der Gesamtzahl der in Analgosedierung behandelten Patient:innen liegt (Abb. 5).

Abb. 5: Anteil der Kinder mit besonderen Bedürfnissen im Vergleich zu Kindern ohne besondere Bedürfnisse

Was sich jedoch geändert hat, ist die Altersverteilung der Patient:innen mit besonderen Bedürfnissen. Aus Abb. 6 und 7 geht hervor, dass anfangs hauptsächlich Schulkinder überwogen. Im Laufe der Zeit stieg jedoch der Anteil der Vorschulkinder, während die Anzahl der betroffenen Kinder in der Gruppe der Schulkinder abnahm.

Abb. 6: Aufteilung der Kinder mit besonderen Bedürfnissen nach Altersgruppen
Abb. 7: Verteilung der Kinder mit besonderen Bedürfnissen

In der Gruppe der Kinder ohne besondere Bedürfnisse (Abb. 8) blieb die Altersverteilung im Laufe der Jahre unverändert, wobei Vorschulkinder die klare Mehrheit ausmachen.

Aufteilung der Kinder ohne besondere Bedürfnisse nach Altersgruppen
Abb. 8: Aufteilung der Kinder ohne besondere Bedürfnisse nach Altersgruppen
Fazit

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass wir die Patient:innen nach relativ simplen Kriterien kategorisiert haben, die per se keine hochspezifische Differenzierung unterschiedlicher Krankheitsbilder ermöglichen.

Trotz dieser Einschränkungen können aufgrund der ziemlich großen Anzahl analysierter Patient:innen Schlussfolgerungen über die Altersverteilung bei Kindern, die sich einem Eingriff unterziehen, und deren Anteil von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in der beobachteten Patient:innengruppe gezogen werden. Diese Schlussfolgerungen stellen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Zusammensetzung der Patient:innenpopulation unserer Einrichtung dar und können als Grundlage für die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen und für weitere Untersuchungen auf diesem Feld dienen.

Literatur
  1. Larsen R. Anästhesie. 12. Aufl. Elsevier; 2022.
  2. Coté C, Wilson S, American Academy of Pediatrics, American Academy of Pediatric Dentistry. Guidelines for monitoring and management of pediatric patients before, during, and after sedation for diagnostic and therapeutic procedures. Pediatrics. 2019; https://doi.org/10.1542/peds.2019-1000.
  3. Wiener Gesundheitsverbund. 2024. https://klinik-donaustadt.gesundheitsverbund.at/leistung/kompetenzzentrum-fuer-mund-kiefer-und-gesichtschirurgie-und-jugendzahnheilkunde/..

erschienen in ANÄSTHESIE NACHRICHTEN 4/2024