Pflegerisches Schmerzmanagement

Klausur 2024 der Gesellschaft für Schmerzmanagement der Gesundheits- und Krankenpflege (GeSGuK)

„Die Gesundheits- und Krankenpflege ist nicht nur eine Berufung, sondern eine ständige Weiterentwicklung von Wissen, Fürsorge und Empathie, die das Fundament einer gesunden Gesellschaft bildet.“

In der modernen Schmerztherapie wird die multimodale Behandlung, bei der verschiedene Fachdisziplinen Schmerzpatient:innen gleichzeitig behandeln, als State of the Art angesehen. In Österreich dominiert jedoch meist eine medikamentöse Behandlung durch Hausärzt:innen, das Handeln gemäß aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen in der modernen Schmerzmedizin ist hier noch viel zu selten zu finden.

Die langjährige Forderung nach dem Ausbau des extramuralen Bereichs und der Zusammenarbeit von interprofessionellen Teams wird weiterhin vernachlässigt. Sowohl die Konzentration auf stationäre Behandlungen als auch die Verlagerung der Betreuung von pflegebedürftigen Menschen an Angehörige sind zwar gängige Praxis, jedoch sind diese oftmals kostspieliger als alternative Versorgungsformen. Extramurale Versorgungssysteme mit Hausbesuchen werden immer wichtiger, da ein großer Teil der pflegerischen Verantwortung darauf zurückzuführen ist. Dazu gehören das Erstassessment mit körperlicher Untersuchung und die klinische Begutachtung hinsichtlich der Wirkung, Nebenwirkung und Wechselwirkung von Medikamenten.

In Österreich ist ein Trend zu beobachten: Aufgrund des zunehmenden Personalmangels gibt es sogar Rückschritte, etwa die Reduzierung der Dienste des Akutschmerzdienstes und die Verkürzung der Öffnungszeiten von Schmerzambulanzen, die meist nur in urbanen Gebieten vorhanden sind. Spezialisierte Schmerzexpert:innen sowohl unter den Ärzt:innen als auch in der professionellen Pflege sind rar. Die prekäre Situation des Pflegemangels und die Unterversorgung von Schmerzpatient:innen verdeutlicht, dass Österreich trotz seines hoch angesehenen Gesundheitssystems hinter den wissenschaftlichen Empfehlungen zurückbleibt. Vielerorts wird immer noch das traditionelle Hausarztsystem als erste Anlaufstelle angesehen, wobei Präventionsprogramme und die Einbindung der Diplomkrankenflege in die extramurale Versorgung oft vernachlässigt werden.

Initiativen stärken das pflegerische Schmerzmanagement

Einige engagierte Pflegefachkräfte (Maria Fischer, Christa Käferböck und Yvonne Kaufmann) haben sich jedoch im Jahr 2016 zur Gründung der Gesellschaft für Schmerzmanagement in der Gesundheits- und Krankenpflege (GeSGuK) zusammengeschlossen. In der Entstehungsphase wurden verschiedene Maßnahmen eingeführt, um das pflegerische Schmerzmanagement sowohl im intra- als auch im extramuralen Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich zu verbessern. Folgende Ziele wurden gesetzt, um die Qualität der Pflege im Umgang mit Schmerz zu fördern und das Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu stärken [1]:

  • Entwicklung von Richtlinien für das pflegerische Schmerzmanagement basierend auf aktuellen Erkenntnissen
  • Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit: Die Kooperation mit anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen wird intensiviert, um eine umfassende Betreuung sicherzustellen.
  • Bewusstseinsstärkung in der Öffentlichkeit: Initiativen werden gestartet, um das Verständnis für das pflegerische Schmerzmanagement in der Öffentlichkeit zu fördern.
  • Umsetzung pflegerischer Kernkompetenzen: Die pflegerischen Kernkompetenzen im Schmerzmanagement werden aktiv umgesetzt.
  • Unterstützung der Selbstständigkeit von Pflegekräften: Maßnahmen werden ergriffen, um Pflegekräfte bei der eigenständigen Ausübung ihrer Tätigkeiten im Schmerzmanagement zu unterstützen.
  • Empfehlungen für Aus- und Weiterbildungen: Es werden klare Empfehlungen für Aus‑, Fort- und Weiterbildungen im Bereich Schmerzmanagement für verschiedene Pflegepersonen sowie die Entwicklung von Ausbildungsstandards vorgestellt.
  • Veranstaltung von Pflegesymposien: Pflegesymposien dienen als Plattformen für den Austausch von Wissen und Erfahrungen im Schmerzmanagement.
  • Implementierung nichtmedikamentöser Maßnahmen: Nichtmedikamentöse schmerzlindernde Maßnahmen werden verstärkt im intra- und extramuralen Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege eingeführt.
  • Förderung von Schmerzprävention und Gesundheitsförderung: Es wird darauf hingearbeitet, Schmerzprävention und Gesundheitsförderung als feste Bestandteile der Pflege in Österreich zu etablieren.
  • Mitwirkung an der Pflegeforschung: Pflegekräfte beteiligen sich aktiv an der Pflegeforschung im Bereich Schmerzmanagement.
  • Etablierung des pflegerischen Schmerzmanagements im multimodalen Schmerzteam: Das pflegerische Schmerzmanagement wird als gleichberechtigter Bestandteil im multimodalen Schmerzteam in ganz Österreich integriert.
  • Zusammenarbeit mit anderen Organisationen: Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, die sich mit Schmerz beschäftigen, wird angestrebt, um Synergien zu nutzen und die Versorgung zu verbessern.
Abb. 1: Pain Nurse, Positionspapier der GesGuK 2022

Mit Unterstützung und anlässlich des 45-jährigen Firmenjubiläums der Firma Grünenthal konnte 2022 ein Positionspapier „Pain Nurse. Perspektive 2023“ der therapeutischen Berufsgruppe Pflege entstehen und umgesetzt werden (Abb. 1).

Optimierte Schmerzversorgung im interprofessionellen Team

Die Entwicklung der Pflegeausbildung auf akademischem Niveau hat zur Entstehung neuer pflegerischer Kernkompetenzen geführt, darunter Gesundheitsförderung und Prävention, Beratung, Pflegediagnostik und Pflegetherapie, psychosoziale Betreuung sowie komplementäre Pflege. Diese Kompetenzen ermöglichen es Pflegekräften, ihre Tätigkeiten autonom und unabhängig von anderen Berufsgruppen, insbesondere der Ärzteschaft, auszuüben, ohne auf Anweisungen angewiesen zu sein.

Fallvignette.

Herr P., 70 Jahre alt, wurde wegen einer Herpes-Zoster-Infektion stationär aufgenommen und erhielt eine antivirale Therapie sowie eine medikamentöse Schmerztherapie. Trotz dieser Behandlung blieben seine Schmerzen während des Aufenthalts konstant über 7 auf der numerischen Rating-Skala (NRS), auch bei seiner Entlassung waren die Schmerzen noch vorhanden. Die Kombination aus Metamizol-Tropfen und Ibuprofen-Tabletten brachte nur mäßige Linderung, es wurde keine Opioidtherapie eingeleitet. Da seine Schmerzen auch 6 Wochen nach der Infektion weiterhin stark waren und sogar noch zunahmen, suchte er eine Schmerzambulanz auf, wo eine Post-Zoster-Neuralgie diagnostiziert wurde.

Herr P. beschrieb seine Schmerzen als einschießend, brennend, linksseitig im Brustbereich und dauerhaft, selbst im Ruhezustand. Die Berührung seiner Kleidung im Brustbereich war unerträglich und beeinträchtigte seinen Schlaf sowie seine Alltagsaktivitäten und sozialen Kontakte. Es wurde eine medikamentöse Therapie mit Pregabalin begonnen, die er aufgrund von Nebenwirkungen absetzte. Daraufhin begann man in der Schmerzambulanz eine Schmerztherapie mit einem Capsaicin-Pflaster. Drei Monate nach Beginn der Pflaster-Applikation hatte sich das Schmerzareal verkleinert, und die Schmerzstärke war auf NRS 3 reduziert. Die Lebensqualität und Schlafqualität hatten sich verbessert.

Professionelle Intervention durch die Pain Nurse nach dem Pflegeprozess

Es ist wichtig, während des stationären Aufenthalts nicht nur die Schmerzstärke, sondern auch die Schmerzqualität zu erfassen, um neuropathische Schmerzen zu identifizieren. Die medikamentöse Therapie bei neuropathischen Schmerzen erfordert eine andere Herangehensweise als bei nozizeptiven Schmerzen. Die Pain Nurse entscheidet in Zusammenarbeit mit dem multimodalen Team über die medikamentöse Therapie basierend auf der Schmerzqualität. Bei anhaltenden Schmerzen über NRS 3 nach 6 Stunden ist ein Schmerzkonsil sinnvoll, um eine Umstellung der medikamentösen Therapie vorzuschlagen [2].

Gleichzeitig empfiehlt die Pain Nurse den Einsatz von Aromapflege mit einer Kombination aus Pfefferminz- und Melissenhydrolat. Studien haben gezeigt, dass Melisse starke antivirale Eigenschaften aufweist, und Menthol, ein Inhaltsstoff der Pfefferminze, wird in der Behandlung von neuropathischen Schmerzen empfohlen. Weitere wichtige 100 % naturreine ätherische Öle, deren Wirkung in Studien bei Herpes Zoster nachgewiesen werden konnte, sind unter anderem Palmarosa, Rosengeranie, Ravintsara, Cajeput und Niaouli (oder Niauli) [3]. Bewährte Mischungen können nach entsprechender professioneller Beratung durch die Pain Nurses von ihnen bezogen werden.

Die Pflegeberatung durch die Pain Nurse wird auch bei der Capsaicin-Therapie fortgesetzt. Capsaicin kann erst angewendet werden, wenn die Haut vollständig intakt ist. Die Aromapflege als komplementäre Pflegetherapie kann eigenständig zur Hautpflege eingeleitet werden, wenn neuropathische Schmerzen weiterbestehen, die Auswirkungen von komplementären therapeutischen Pflegemaßnahmen auf die Betroffenen sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Auswirkung komplementärer pflegetherapeutischer Maßnahmen auf die Betroffenen

Emotionale/psychische AuswirkungenPhysische Auswirkungen
Emotionale BelastungStimulation des sympathischen Nervensystems
Wahrgenommene BedrohungMuskelentspannung
MüdigkeitHerzfrequenz
AngstBlutdruck
Stärkung von BewältigungsstrategienSauerstoffzufuhr
Kontrolle über SchmerzenFreisetzen von schmerzreduzierenden Substanzen
Veränderungen von ErwartungenSchlafqualität
HoffnungLebensqualität (QoL)
WohlbefindenLebensqualität (QoL)
Quelle: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (2005): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten oder tumorbedingten chronischen Schmerzen

Im extramuralen Bereich kann die Pain Nurse den niedergelassenen Haus- und Fachärzt:innen weiterhin unterstützen. Die Vorteile einer extramuralen Therapie sind eine schnellere Einleitung der Therapie, Verbesserung der Schlafqualität und Mobilität sowie Reduzierung weiterer Schmerzen durch Immobilität. Die Nähe zum Wohnort, persönliche Beziehung zu den Ärzt:innen und bekannte Anamnese sind weitere Vorteile [4].

Obwohl es viele Herausforderungen zu überwinden gibt, wird bereits gute Arbeit in der Schmerzversorgung von Patient:innen geleistet. Dennoch ist es entscheidend, eine flächendeckende Lösung unter Einbindung der professionellen Pflege zu finden. Dies zeigt den Patient:innen, dass ihre Beschwerden ernst genommen werden und sie in ihrer Not nicht alleine gelassen, sondern kompetent versorgt werden.

beenhere

Pflegesymposium der GeSGuK am 5. November 2024

Das Symposium bietet wieder eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich über aktuelle Entwicklungen, Best Practices und Herausforderungen im Schmerzmanagement zu informieren und sich untereinander auszutauschen.
Schwerpunkt des diesjährigen Pflegesymposiums ist das Thema: Gender Pain in der Pflege – Geschlechterspezifische Aspekte im Wandel der Zeit.
Dazu werden wieder viele interessante Vorträge und Workshops angeboten. Zudem werden Abschlussarbeiten und Posterpräsentationen, die bis zum 31.07.2024 eingereicht werden, prämiert.
Die Anmeldung zum Kongress ist ab sofort möglich unter www.gesguk.at.

Literatur
  1. SuK G. Statuten12 des Vereins. Perg; 2016.
  1. Deutsches Netzwerk für Qualitätsssicherung in der Pflege. Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege. Osnabrück: Hochschule Osnabrück; 2020.
  1. Hillert G. Aromatherapie bei Infekten. In: zkm. Bd. 1. 2024. S. 26–35.
  1. SuK G. Pain Nurse Positionspapier. 2022. S. 19–20.